Jens Keller stürmte wie wild auf den Rasen und packte sich jeden seiner Nachwuchs-Eurofighter einzeln. Nach dem "angenehmsten Moment" in seiner Zeit beim Fußball-Bundesligisten Schalke 04, nach dem millionenschweren Schlusspfiff in Freiburg brachen bei dem in der Vergangenheit heftig kritisierten Trainer alle Dämme.
"Bei dem, was bei uns so alles passiert ist seit Januar, war das eine Riesenerleichterung", sagte der 42-Jährige nach dem Einzug in die Champions-League-Qualifikation durch das schmeichelhafte 2:1 (1:0) beim SC Freiburg: "Wir sind überglücklich, dass wir unser Ziel erreicht haben."
Nur die beiden Play-off-Partien zu Beginn der kommenden Saison Ende August trennen die Königsblauen noch von der Königsklasse - wo der Klub dem eigenen Anspruch nach ohnehin hingehört, in der laufenden Saison aber im Achtelfinale an Galatasaray Istanbul gescheitert war. "Für so einen Verein wie Schalke, mit so viel Fanpotenzial und so einer Mannschaft ist es sehr, sehr wichtig, sich mit den Besten in Europa zu messen", sagte Keller: "Dazu haben wir jetzt die Chance, aber wir sind noch nicht da, wo wir hinwollen."
Dass der Weg zur Elite Europas mit Keller bestritten wird, ist seit Mitte Mai klar - Sportdirektor Horst Heldt lobte dennoch nach dem Kraftakt an der Dreisam ausdrücklich das "Trainerteam. Jens hat die Mannschaft hervorragend eingestellt", sagte der 43-Jährige: "Es war der erwartete Fight. Das hatte den Charakter eines Endspiels und am Ende des Tages sind wir durchgekommen. Ich kann nur jedem einzelnen gratulieren."
Wirklich reif für höhere Aufgaben hatte sich Schalke jedoch nicht präsentiert. Der Führungstreffer durch Nationalspieler Julian Draxler (20.), der sich am Sonntagmorgen einer kleinen Operation am Arm unterziehen wird, war der erste Torschuss der Gäste, der Siegtreffer ein Eigentor von Julian Schuster (57.). Jonathan Schmid hatte für den zwischenzeitlichen Ausgleich gesorgt (54.).
"Unterm Strich zählt das Ergebnis", sagte Keller, und auch Heldt war es "bei allem Respekt scheißegal", wie der letzte Saisonsieg zustande gekommen war. "Die Mannschaft hat schon schöner gespielt, aber sie hat angenommen, was gefordert war", sagte Heldt: "Es wird natürlich eine Aufarbeitung der Saison geben - aber nicht jetzt." Was genau auf dem Rückflug Richtung Gelsenkirchen geplant war, verriet keiner der Verantwortlichen. Draxlers Ansage, wegen der OP (Entfernung einer Metallplatte aus dem Unterarm) "ab 2.00 Uhr" nichts mehr zu sich nehmen zu dürfen, lies aber auf einiges schließen.
Von Partystimmung wollte Freiburgs Trainerunikat Christian Streich nichts wissen. Der 47-Jährige konnte sich trotz des sensationellen Einzugs des Sportclubs in die Europa League nicht einmal ein kleines Lächeln abringen. "Soll ich mich auf Befehl freuen?", fragte der sichtlich angefressene Streich: "Ich habe es doch dreimal erklärt: Wir haben ein Spiel verloren, das wir nicht hätten verlieren dürfen. Ich freue mich, nur nicht jetzt."
Der eigenwillige Trainer steht aufgrund der Doppelbelastung im beschaulichen Breisgau vor einer Mammutaufgabe. Vor dem Anpfiff wurden sechs Spieler verabschiedet, darunter vier von Streichs Stammpersonal. "Wir müssen jetzt schauen, dass wir ein paar Jungs nach Freiburg bekommen, die nach Freiburg passen", sagte Streich: "Wir tun alles dafür, und irgendwann freuen wir uns, dass wir in der Europa League spielen."